Literatur |
- Paul Valéry: Eupalinos oder Der Architekt, Berlin 2017.
- Jane Bennett: Lebhafte Materie. Eine politische Ökologie der Dinge, Berlin 2020
- Roger Caillos: Die Schrift der Steine, Graz 2004.
- Donna Haraway: When Species Meet, Minneapolis, 2008
- Bruno Latour: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt a. M. 2008.
- Graham Harman: Vierfaches Objekt, Leipzig 2015.
- Karen Barad: Verschränkungen, Leipzig 2015.
- Quentin Meillassoux: Trassierungen. Zur Wegbereitung spekulativen Denkens, Leipzig 2017.
- Jeffrey Jerome Cohen: Stein. Ökologie des Nichthumanen, Berlin 2022
- Hugh Raffles: Das Buch der Unverfügbarkeiten. Gedanken über verlorene Zeit, Berlin 2024
- Michel Serres: Statues. The Second Book of Foundations, London/ New York 2015
- Katharina Hoppe /Thomas Lemke: Neue Materialismen zur Einführung, Hamburg 2021
|
Lerninhalte |
Bei Paul Valery gibt es eine Anekdote über den jungen Sokrates, der als junger Mann am Meer spazieren geht und dort einen seltsamen Stein findet, von dem schwer zu sagen bleibt, was das für ein Fundstück ist und vor allem, ob es von Menschenhand gemacht oder ein Produkt der Natur ist. Sokrates hebt das widerständige Ding auf, betrachtet es fasziniert, stellt Überlegungen an und wirft es schließlich entschlossen zurück ins Meer. Er kehrt der Szene den Rücken und vertraut dem alten philosophischen Vorrang des Geistes über der Materie, wählt sozusagen das Nachdenken über das Warum anstelle der Betrachtung des Wie. Würden zeitgenössische Philosoph:innen aus dem Dunstkreis des »Neuen Materialismus« am Strand wandern, so fiele diese Schlüsselszene sicher anders aus. Sie alle nämlich versuchen einen zentralen neuzeitlichen Gedanken hinter sich zu lassen, dem zufolge man nur über das denkende Subjekt Zugang zur Welt finde, die Gesetze des Seins nicht ohne dieses Denken fassen könne. Es geht in dieser relativ jungen, vielstimmigen theoretischen Strömung darum, Dinge – Quallen, Steine, Bäume, Smartphones, Galaxien – nicht länger als stumme Verfügungsmasse und einfache Objekte des menschlichen Zugriffs zu verstehen, sondern ihre transformative, irritierende Kraft ernst zu nehmen, ja gar ihnen Handlungsmacht zuzuschreiben. Im Seminar wollen wir Schlüsseltexte aus Philosophie, Feminismus und politischer Ökologie von u.a. Bruno Latour, Graham Harman, Donna Haraway, Jane Bennett und Karen Barad diskutieren und dabei immer wieder zum Nachdenken über den Stein zurückkehren. Wie sähe der Mythos von Sisyphos aus, jenem existenziellen Helden, der unermüdlich einen Felsblock den Hügel des Hades hinaufwälzt, wenn der Stein hier nicht als bloße Requisite verstanden würde, sondern gar als eigentlicher Protagonist? Was hat es mit Roger Caillos' »Schrift der Steine« auf sich? Ist es möglich ein komplexes Verständnis von Materialität zu entwickeln, ohne sich in Mystik und Spekulation zu verlieren? Lässt sich Materie überhaupt „zum Sprechen“ bringen? |