Literatur |
Olivier Del Fabbro, Philosophieren mit Objekten. Gilbert Simondons prozessuale Individuationsontologie, Frankfurt am Main 2021
„Imagination und Invention“, 2024 im Matthes & Seitz-Verlag erschienen, ist Lektüregrundlage des Seminars, kann allerdings wegen des hohen Preises (38 EUR) nicht ohne schlechtes Gewissen zur Anschaffung empfohlen werden. Der Text wird daher zu Beginn des Semesters online zur Verfügung gestellt. |
Lerninhalte |
Gilbert Simondon ist erst sehr spät zu seinem Ruhm gekommen, er selbst hat ihn nicht mehr erlebt. Als Zeitgenosse Foucaults, Sartres, Lacans und Derridas wurde er von diesen zwar sehr geschätzt (insbesondere Deleuze hat sich immer wieder ausführlich auf ihn bezogen), jedoch war der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Zeit seines Lebens außerhalb Frankreichs nahezu unbekannt. Die Wiederentdeckung vor allem seines Buches „Die Existenzweise technischer Objekte“ (1958) hat dann Mitte der 2000er Jahre zu einer regelrechten Simondon-Euphorie geführt, in Deutschland zunächst in den Medienwissenschaften. Dies hat vor allem zwei Gründe: 1. Simondon ist (wie Deleuze) ein ausgesprochener Prozessdenker, d.h. es geht ihm nie um die Frage, was ein Ding oder Phänomen sei, sondern wie es entsteht und wie es auch stets anders werden kann, anders formuliert: Er interessiert sich nicht für Ontologie sondern für Ontogenese. 2. Diese Perspektive nutzt er um über den Menschen hinaus zu blicken und biologische, technische und psychische Prozesse, „Natur“ und „Kultur“ zusammenzudenken. Diese post- oder transhumane Perspektive nahm bereits in den fünziger und sechziger Jahren Themen vorweg, die erst heute im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.
In diesem Jahr sind nun Simondons Vorlesungen „Imagination und Invention“ (1965-1966) zum ersten Mal auf Deutsch erschienen. Der Titel deutet es schon an: Es handelt sich um Simondons Bildtheorie. Was diese von allen anderen abhebt ist unter anderem, dass es ihm ausschließlich um innere Bilder geht. Gemälde, Fotos, Diagramme, Computergrafiken usw. kommen bei ihm nicht vor, umso mehr geht es um Symbole, Vorstellungen, Einbildungen, Wahrnehmungen, das Imaginäre. Auch hier spielt sein Interesse an der Ontogenese eine entscheidende Rolle, d.h. welchen Anteil haben diese „inneren“ Bilder an der Entwicklung eines Organismus, einer Psyche, einer Gesellschaft, einer Wissenschaft, einer Religion oder Technologie? Wir werden uns diesen aufregenden Text - der im Gegensatz etwa zu Deleuze nüchtern und eher im Stil der Naturwissenschaften geschrieben ist - und seine sehr eigenwillige Argumentation in einem close-reading genau anschauen und uns fragen, was eine solche Bildtheorie, die auf den ersten Blick nicht viel mit unseren alltäglichen Bildpraktiken zu tun hat, für eine allgemeine Bildtheorie bedeuten kann. |
Zielgruppe |
„Wissenschaftliche Vertiefung“ (Foto Practice, KD)
MMT (ID)
„Erweiterung: Wissenschaft“, "Kern: Geschichte der Fotografie" (Foto Research)
„4. Diskurse: Ästhetik des medialen Bildes“ (KuD)
Offen für alle Master |